Paris – 9. bis 12. Oktober 2023

MÜNCHEN
WIEN
JASENOVAC
SARAJEVO
BERLIN
Ein europäisches Projekt über Geschichte und Erinnerung: Start in Paris
Paris war der Ausgangspunkt unserer Reise. Ziel dieses Projektes zum Thema Geschichte und Erinnerung war es, 17 junge Menschen aus Deutschland, Frankreich und Bosnien und Herzegowina auf eine Reise durch Europa von West nach Ost mitzunehmen, um sich mit der Frage nach Krieg und Kriegen, der Erinnerung an diese Kriege und den Spuren, die diese Konflikte in Europa hinterlassen haben, auseinanderzusetzen. Von Paris über München, Wien und Zagreb nach Sarajevo: 5 Städte, 5 Länder in 10 Tagen. Die jungen Teilnehmenden sollten historische Stätten kennenlernen, die als Symbole für die zerstörerischen Kriege des 20. Jahrhunderts stehen. Und vor allem sollten sie die Perspektiven und unterschiedlichen Narrative, die sie aufgrund ihrer familiären und persönlichen Geschichte, ihres Studiums oder ihrer Sozialisierung in ihrem Heimatland erfahren haben, vergleichen.
In Paris befassten wir uns zunächst mit dem Ersten Weltkrieg.

Historische Denkmäler von
interkultureller Dimension
Das Abenteuer begann am 9. Oktober 2023 in Versailles im Centre de l’Ermitage am Rande des Schlossparks. In diesem Kultur- und Bildungszentrum, nur einen Katzensprung von einem Prunkstück des französischen Kulturerbes entfernt, war die Gruppe während der 3 Nächte ihres Frankreich-Aufenthaltes untergebracht. Kurzum: ein zutiefst geschichtsträchtiger Ort.
Das Schloss von Versailles ist untrennbar mit König Ludwig XIV. verknüpft und gilt als Symbol der königlichen Macht und der französischen Monarchie. Es steht auch für den Ruhm dieses Königs, der als Roi Soleil („Sonnenkönig”) bekannt war und für grandiose, elegante Baukunst wie den Spiegelsaal steht. Seit 1883 befindet sich im Schloss von Versailles auch ein Museum über die Geschichte Frankreichs. Die jungen Teilnehmenden hatten nicht vergessen, dass der Friedensvertrag zwischen Deutschland und Frankreich 1919 im Spiegelsaal unterzeichnet wurde. Sie erinnerten sich auch an die Demütigung, die Frankreich 1871 dort mit der Reichsgründung und Ernennung des ersten deutschen Kaisers 1871 erdulden musste.
Am 10. Oktober stiegen wir bei verschiedenen Workshops in das eigentliche Thema ein: die Geschichte von Kriegen und die Erinnerung daran, insbesondere an den Ersten Weltkrieg. Wir begannen mit der Erkundung einiger symbolträchtiger Orte.
Zunächst erkundeten die jungen Menschen die Cité Internationale Universitaire de Paris. Sie wurde 1925 mit dem pazifistischen und utopischen Ziel gegründet, eine Welt voller Frieden zu erschaffen. Es ist immer interessant, architektonisches Erbe zu entdecken, vor allem wenn es mit bekannten Namen wie dem französischen Architekten Le Corbusier verknüpft ist. Wissenswert ist auch, dass die Cité Internationale Universitaire ein Vorreiter für Multikulturalismus ist, der unseren jungen Teilnehmenden ganz besonders am Herzen liegt.

Unter dem Triumphbogen
Triumphbogen und Grab des unbekannten Soldaten: Erinnerung und Gedenken
Einfach ausgedrückt liegt das am Grab des unbekannten Soldaten unter dem Bogen und der ewigen Flamme, stellvertretend für alle Männer, die im Krieg ihr Leben ließen. Am Ende dieses blutigen Krieges war der Bestattungsort der Leichen ein wichtiges Thema: Die Regierung sollte einen Raum schaffen, in dem Familien ihrer Toten gedenken konnten. Tatsächlich ist hier die Frage nach dem „Gedenken” entscheidend. Denn Erinnerungen entstehen auf unterschiedlichen Ebenen: in der Familie, auf Landesebene und sogar international. Deshalb wurde der Triumphbogen für dieses Gedenken ausgewählt. Und seit dem 11. November 1920, einem symbolischen Datum für Frankreich, befinden sich unter dem Triumphbogen die Überreste jenes unbekannten Soldaten. Er steht stellvertretend für und im Gedenken an Millionen Kriegsopfer. Seit dem 11. November 1923 brennt auch die ewige Flamme als eine Art Mahnwache. Sie ist seitdem nie erloschen und wird täglich von den Mitgliedern der Veteranenverbände gewartet. Sie halten die Flamme der Erinnerung wach.
Deshalb stand am zweiten Tag der Besuch des Triumphbogens auf dem Programm. Ein für die Gedenkstätte akkreditierter Guide stellte uns die wichtigsten historischen und architektonischen Merkmale dieses symbolträchtigen Bauwerks vor. Die Teilnehmenden konnten auf die Aussichtsplattform steigen und das fantastische Panorama bewundern, das sich von dort über die „Stadt der Lichter“ bietet. Das war die perfekte Möglichkeit, sich vor einem Spaziergang durch die Straßen der französischen Hauptstadt einen Überblick zu verschaffen.
Abschließend besuchte die Gruppe das Grab des unbekannten Soldaten. Es war der feierlichste Moment der Besichtigung. Die Gruppe versammelte sich am Grab und an der Flamme. Die Teamerin erinnerte an die Gründe und die Schritte, die zur Errichtung dieser Gedenkstätte geführt hatten, an die Wahl des Soldaten, an die Feier zur Überführung der sterblichen Überreste und an die Symbolkraft dieser Flamme, die für die Erinnerung steht. Trotz des Lärms und des Gedränges der Tourist:innen unter dem Bogen war dies ein sehr emotionaler Augenblick, denn allen Teilnehmenden wurde der feierliche Charakter dieser Gedenkstätte bewusst, jeder Person auf ganz eigene Weise. An dieser Stelle testete das Team die im Voraus mit der Arbeitsgruppe entwickelte Methode „Besuch einer Gedenkstätte – Das Grab des unbekannten Soldaten in Paris“, von der ein Beispiel in dieser Publikation enthalten ist.
Bevor die jungen Leute zu ihrer Erkundungstour durch Paris aufbrachen – denn auch durch eigene Entdeckungen lernen wir und bilden wir uns unsere eigene Meinung –, erhielten sie vom Team einen Auftrag. Sie sollten bei ihrem Spaziergang durch Paris Spuren der Vergangenheit anhand von Kriegsdenkmälern oder anderen Orten, die in ihren Augen von historischer Bedeutung sind, entdecken. Sie sollten davon Fotos machen, eine kurze Erläuterung schreiben und beides in den Gruppenchat stellen. Am nächsten Tag gab es dann Zeit für einen Austausch.
Hier einige ihrer Entdeckungen:


Les Invalides: Errichtet unter der Herrschaft Ludwigs XIV., war und ist ein Krankenhaus für Kriegsversehrte. Hierher kommen Soldat:innen, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden und Hilfe bei der Rückkehr in das Zivilleben benötigen. Zu sehen ist dort auch das Grab Napoleons.
Text: Lise-Catherine Pommelet Guillerez

Junge Menschen vor dem Grab des unbekannten Soldaten. Erklärungen der Teamerin.

Statue von Ferdinand Foch: Oberkommandierender der alliierten Streitkräfte an der Westfront im Frühjahr 1918
Text: Daniel Stjepanovic

Pariser Ostbahnhof: Denkmal zum Gedenken an die Lokführenden, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren.
Text: Samir Mrkovic

Le Canal Saint-Martin: 1802 beschloss Napoleon ein Wasserversorgungsprojekt, das die Errichtung des Canal Saint-Martin umfasste, um die Trinkwasserversorgung in Paris zu verbessern. Text: Juliette Coulmier
Text: Juliette Coulmier

Le Café de Flore: Es ist eines der bekanntesten und ältesten Cafés von Paris und befindet sich in Saint-Germain-des-Prés im 6. Arrondissement. Das Café öffnete in den 1880er Jahren und wurde bald wegen seiner Gäst:innen berühmt. Es galt als Treffpunkt berühmter Personen aus Literatur und Philosophie wie Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Albert Camus und vielen anderen.
Text: Julia Noll
Autorin: Nathalie Chevalier
ERPROBTE METHODEN IN PARIS
3. Das Dilemma mit den Stühlen